Von den Göttern oder: Die Zwei Euro Krise
Betrachten wir das, worum es angeblich geht, gegenständlich. Dazu lenke ich Eure Aufmerksamkeit noch einmal auf die Zwei – Euro Münze, die ich schon erwähnt habe:
Da liegt also die Münze in meiner Hand und ich denke, dass es schon irre ist, eine griechische Münze, mit der ich in Österreich bezahlen kann, oder in Frankreich oder Deutschland. Wo diese Münzen überall herumkommen! In meinem Kopf entspinnt sich die Geschichte dieser Münze, wie sie wohl zu mir gekommen ist, vielleicht letzten Sommer in Areopolis, oder in Heraklion, oder vor wenigen Tagen in Wien, vielleicht am Naschmarkt beim Einkaufen, vielleicht in einem Kaffeehaus als Wechselgeld oder völlig profan hier in Agios Nikolaos – natürlich weiß ich es nicht.
Ich lasse meiner Phantasie freien Lauf und stelle mir vor, wie ich sie in Berlin einem Taxifahrer gebe, der damit bei einem türkischen Lebensmittelhändler Obst kauft. Der Lebensmittelhändler steckt sie ein, ohne sie weiter zu beachten und gibt sie später seinem Sohn, damit der sich ein Eis kaufen kann, auf der anderen Seite der Straße. Welche Sorten er wohl wählt? Ein türkischer Bub, der mit meiner griechischen 2 Euro Münze ein Eis in Berlin kauft. Der Gedanke hat was.
Mir gefallen diese Münzen ja, mit den zwei Metallen und dass man immer drauf schauen kann, woher sie kommen: da sitzt eine Frau auf einem Stier. Langsam versuche ich die kyrillischen Buchstaben zu entziffern. Schande, dass ich das nicht besser kann: E-U-R-O-P-A.
EUROPA!
Tochter des phönizischen Königs Agenor, auf die Zeus, der Lauser, ein Auge geworfen hatte und wegen der er sich in einen Stier verwandelt hat, um sich besser an sie heranschleichen zu können! Und Europa, mit ihren Freundinnen beim Baden, hat natürlich Vertrauen gefasst zu dem friedlichen und göttlich – schönen Stier, hat seine Hörner geschmückt und ist schließlich auf seinen Rücken gestiegen. Diesen Moment nutzte Zeus und entführte sie an einen einsamen Strand in Kreta. Dort gab er sich ihr zu erkennen, sie verliebten sich in einander und er zeugte ihr drei Söhne.
Ich fühle mich auch als ein Kind Europas. Lustiger Gedanke, dass ich von Zeus abstamme, gerade ich! Andererseits, wieso nicht? Und da fällt mir gleich noch etwas auf: es heißt folglich nicht DAS Europa, sondern DIE Europa, wie ja auch DIE Peloponnes, DIE Mani… – aber das ist ein anderes Problem.
Es ist gar kein anderes Problem! Die Gleichstellung zwischen Frau und Mann, die völlig logische Tatsache, dass gleiche Arbeit gleich entlohnt werden muss, hat sich ja noch immer nicht durchgesetzt. Wir setzen Initiativen und Quoten, Gott sei dank tun wir das! Aber ist es nicht ein Armutszeugnis, dass wir diese Jahrtausende nachdem Zeus, der alte Schwerenöter, Europa geschwängert hat, noch immer darüber diskutieren müssen?!
Zu Zeus’ Zeiten gab es ja wenigstens noch Göttinnen, also echte, die auch mächtig was zu sagen hatten. Die vollinhaltliche Gleichstellung der Geschlechter ist nicht nur Teil des Weges aus nicht nur dieser Krise.
Der Strand, an dem Zeus den wilden Stier raushängen ließ, liegt an der Südküste von Kreta. Ich werde dorthin fahren. Aber zuerst geht es Montag früh nach Chania, wo ich Stelios, Eleni und George treffen werde.