30th Mai2012

Busek Interview – Positives zum Thema “Krise”

by Fabian Eder

Folgender Artikel erschien in der “Presse”.

Busek: “Habe ein sehr positives Verhältnis zur Krise”

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30.05.2012 | 08:02 |   (DiePresse.com)

Der frühere Vizekanzler hat sein Buch “AEIOU Europa” präsentiert. Der Prozess des vereinten Europa sei noch nicht abgeschlossen, betont er.

Der frühere Vizekanzler Erhard Busek (ÖVP) sieht Europas Zukunft optimistisch. “Ich halte diese ganzen Krisen, Finanz-, Euro- und Wirtschaftskrise, eigentlich für keine, sondern wir haben alles dafür zu tun, diese Krisen zu nutzen”, sagte er am Dienstag bei der Präsentation seines Buches “AEIOU Europa”.

Er habe ein sehr positives Verhältnis zur Krise, weil dadurch Fragen gestellt würden. Der Beitrag, den Europa leisten könne, sei die Wertorientierung – “kein Kolonialismus und keine Überheblichkeit”.

“Geografie des Kontinents wieder lernen”

“Wir müssen die Geografie des Kontinents wieder lernen”, sagte Busek. Er sei ein Vertreter der Generation, die in der Nachkriegszeit aufgewachsen ist und einige Nachbarländer nur aus Erzählungen der Großeltern und Eltern kannte. Europa habe damals in der allgemeinen Wahrnehmung nur aus den westlichen Ländern bestanden. Der Prozess des vereinten Europa sei auch heute noch nicht abgeschlossen.

Busek, der in verschiedenen europäischen Institutionen tätig ist, betonte: “Es gibt mir Mut darauf hinzuweisen, was Europa eigentlich inhaltlich ausmacht.” Es sei eine faszinierende Aufgabe, Europa immer wieder neu zu gestalten. In der Frage des Friedens und des Verständnisses sei noch viel zu tun.

Busek zitierte den früheren Präsidenten der EG-Kommission Jacques Delors: “Wir müssen Europa eine Seele geben.” Die wesentlichen Elemente der europäischen Kultur, wie Aufklärung und Moderne, würden immer noch zu wenig begriffen. So würde auch das Herbert-Batliner-Europainstitut, dessen Präsident Busek ist, nun vermehrt im Bereich der Kultur statt in dem der Geschichte und Politik forschen.

“AEIOU Europa” ist eine Sammlung von Vorträgen, dieBusek in den letzten 20 Jahren zum Thema Europa gehalten hat. Herausgegeben wurde der Band vom slowenischen Verlag Mohorjeva-Hermagoras, der seinen Sitz in Klagenfurt hat.

(APA)

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29th Mai2012

Europas Schande

by Fabian Eder

VASSO KATRAKI
Ein Gedicht von Günter Grass

Dem Chaos nah, weil dem Markt nicht gerecht,
bist fern Du dem Land, das die Wiege Dir lieh.

Was mit der Seele gesucht, gefunden Dir galt,
wird abgetan nun, unter Schrottwert taxiert.

Als Schuldner nackt an den Pranger gestellt, leidet ein Land,
dem Dank zu schulden Dir Redensart war.

Zur Armut verurteiltes Land, dessen Reichtum
gepflegt Museen schmückt: von Dir gehütete Beute.

Die mit der Waffen Gewalt das inselgesegnete Land
heimgesucht, trugen zur Uniform Hölderlin im Tornister.

Kaum noch geduldetes Land, dessen Obristen von Dir
einst als Bündnispartner geduldet wurden.

Rechtloses Land, dem der Rechthaber Macht
den Gürtel enger und enger schnallt.

Dir trotzend trägt Antigone Schwarz und landesweit
kleidet Trauer das Volk, dessen Gast Du gewesen.

Außer Landes jedoch hat dem Krösus verwandtes Gefolge
alles, was gülden glänzt gehortet in Deinen Tresoren.

Sauf endlich, sauf! schreien der Kommissare Claqueure,
doch zornig gibt Sokrates Dir den Becher randvoll zurück.

Verfluchen im Chor, was eigen Dir ist, werden die Götter,
deren Olymp zu enteignen Dein Wille verlangt.

Geistlos verkümmern wirst Du ohne das Land,
dessen Geist Dich, Europa, erdachte.

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26th Mai2012

Sonntag vormittag im Radio

by Fabian Eder

„Griechenland blüht“ – unter diesem Titel hat der Regisseur, Kameramann und Autor Fabian Eder soeben einen Fernsehfilm gedreht, der sich als „Beitrag zum Weg aus einer Krise“ versteht. Details erzählt Eder bei Judith Weissenböck in der Radio NÖ-Sendung „Nahaufnahme“.

RADIO NÖ empfangt ihr auf 91,5 und 90,7 MHz.

Judith Weissenböck führte das Gespräch!

Die Nahaufnahme als Podcast
Jeden Sonn- und Feiertag stellt Radio Niederösterreich in der „Nahaufnahme“ von 9.04 bis 10.00 Uhr Persönlichkeiten vor, die entweder aus Niederösterreich stammen oder eine besondere Bindung an das Bundesland haben – mehr dazu in den Podcasts:

http://itunes.apple.com/podcast/radio-no-nahaufnahme/id270024088?i=58487125

http://static.orf.at/podcast/noe/rn_nahaufnahme.xml

Graffitti in Chania

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25th Mai2012

Neues aus Wien

by Fabian Eder

Bitte verzeiht mir, dass ich mich in letzte Zeit so selten hier melde! Einerseits nimmt mich der Schneideraum in Beschlag, andererseits verfolge ich die politische Berichterstattung einigermassen kurzatmig. Ich erkenne, dass wir neben der Finanz-, Identitäts- und Europakrise auch in eine veritable Medienkrise steuern, zumal die Berichterstattung über weite Strecken ein bisschen konfus scheint. Ist es nur, weil sich “Bad News” besser verkaufen? Es ist schwer sich hier in Wien ein Bild zu machen…

Bilder machen. Unser Film GRIECHENLAND BLÜHT wird nun voraussichtlich schon am 4. Juli, dafür in der “Prime Time” um 20:15 in 3SAT in der deutschen Fassung gezeigt. Eine Woche später, am 10. JULI präsentieren wir den Film in der internationalen Fassung vor dem Europaparlament, auch das ist nun fix.

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In Sachen GAIA haben wir die griechischen Versicherungen kontaktiert und warten nun auf Antwort, was laut unseres Griechenland – Korrespondenz – Experten Konstantinos Bitzios etwas dauern kann. Wir bleiben dran! In Sachen Equipment würde ich noch um Kontakte und Ideen bitten!

Was das VASSO KATRAKI Museum angeht lassen sich die Dinge – noch – ein bisschen zäh an. Sie ist ein so ein wichtiger Teil griechischer und europäischer Identität! Liebe Freunde aus dem Bereich Kunst, Kultur und Medien: hebt euren Allerwertesten und lasst uns in die Gänge kommen! Ein erster, wichtiger Schritt ist eine Ausstellung in geeignetem Rahmen in Wien und nach Möglichkeit auch anderen Städten in Mitteleuropa auf die Beine zu bringen!

PFINGSTSONNTAG um 9:00 gibt es auf RADIO NIEDERÖSTERREICH eine “Nahaufnahme”, in der es hauptsächlich um diese Projekt geht. Die Sendung ist nachher auch über das Internet – iTunes – kostenlos als Podcast zu beziehen.

Am 31. Mai um 14:00 bin ich mit unserer Sache in oder Ö1 Sendung “VON TAG ZU TAG” zu Gast, gibt’s auch als Podcast und im Anschluss irgendwie auf unserer neuen “Medien” Seite!

Am 2. Juni sind Katharina und ich zu Gast bei “STÖCKL AM SAMSTAG”, ORF 1, 16:05, um über GRIECHENLAND BLÜHT zu reden.

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Auch wenn es viele Ähnlichkeiten gibt: unsere Ohren stehen weniger ab….

Unser unglaublich toller und fleißiger Johannes, der nicht nur die neue Webseite gebastelt hat, hat da eine Idee, die so verrückt ist, dass ich sie gar nicht beschrieben kann. Infos dazu kommen noch! Soviel vorweg: wer am 14. Juni in Wien ist, sollte am Abend einen Spaziergang in die Innenstadt machen, so ganz ins Zentrum, wenn ich das richtig verstanden habe… – es ist ja lang hell, also um neun Uhr abends ist es da noch hell, man braucht sich nicht zu fürchten… und es ist drei Tage vor der Wahl!!

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Johannes “Mastermind” Huth

Natürlich gibt es gesonderte Reminder zu all den Terminen….

Keep blooming!

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16th Mai2012

FELSEN IN DER BRANDUNG

by Fabian Eder

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Wir sind mehr gefordert, denn je.

Wir, das sind die Menschen in Europa, die untereinander einen familiären Zusammenhalt beweisen müssen.

Wir dürfen dieses “Bashing” der Griechen oder irgendeiner anderen Volksgruppe oder eines anderen Volks nicht an uns heranlassen. Die Griechen wählen und das ist gut so. Wir werden sie bei ihrer Entscheidung unterstützen und wissen, dass die Griechen nicht über den Verbleib in der EU oder im Euro abstimmen. Wir wissen, dass – wie bei uns in Österreich – nur die Nazis und Faschisten europafeindlich sind. Wir sind gefordert den Zusammenhalt einer Zivilgesellschaft über parteipolitische und ideologische Grenzen hinweg zu beweisen. Wir sind gefordert als Familie zu funktionieren und wir werden niemanden zurücklassen, schon gar nicht, damit sich irgendjemand daran bereichert.

Nicht die Wahl in Griechenland entscheidet über Europa. – Wir entscheiden mit unserem Verhalten darüber.

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10th Mai2012

GB in den Medien – und Dinge, die wir uns von kleinen Gaunern nicht stehlen lassen!

by Fabian Eder

Uralter Olivenbaum auf Zakynthos, man sagt zwischen 1200 – 2000 Jahre alt.

Soeben haben wir den dreissigtausendsten Besuch auf unserer Webseite gehabt! Toll ist das! Vielen, vielen Dank für Euer Interesse!

Unser Film GRIECHENLAND BLÜHT wird nun bereits voraussichtlich Anfang Juli ausgestrahlt. Infos zum genauen Sendetermin folgen noch…

Ich hatte heute Gespräch mit Astrid Hauss von SuperflyFM über unsere Reise und ihre einzelnen Stationen. In ihrer Sendung INTO THE SUN macht sie im Mai einen Griechenland Schwerpunkt, auf dem unser Gespräch in Abschnitten zu hören sein soll – ab morgen jeden Dienstag um 17:20 (Wiederholung Mittwoch 8:30)  - www.superfly.fm (leider nur auf Deutsch …!) 

Die Wahlen kommentieren wir nicht, das haben die Griechen nicht nötig. Nur soviel, bitte, sei mir gestattet: den poetischen Begriff der “Morgenröte” lassen wir uns sicher nicht von ein paar zurückgebliebenen Betonköpfen stehlen!

DIE MORGENRÖTE GEHÖRT ALLEN MENSCHEN, EGAL WELCHER HAUTFARBE, HERKUNFT, GESCHLECHT ODER NATIONALITÄT SIE SIND UND EGAL AN WELCHEM ORT DER WELT SIE SICH BEFINDEN. 

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07th Mai2012

Drei kurze Fragen

by Fabian Eder

Viele meiner Interviewpartner während der Reise haben den Mangel an Demokratie beklagt. Heute ist Wahltag in Griechenland und ganz Europa schaut nach Athen. Ich bin zuversichtlich, obwohl mir klar ist, dass der Weg zurück zu mehr Demokratie uns in ganz Europa (und damit auch in Griechenland) mit so manchem schmerzlichen Irrläufer konfrontieren wird. Aber das gehört dazu…

Ein Blick von Zakynthos.

Die Griechen entscheiden über ein nationales Parlament. Das Wichtigste ist, dass möglichst viele zur Wahl gehen. Nicht nur zu dieser, sondern vor allem zu den nächsten Wahlen zum Europaparlament.

Ich möchte drei Fragen stellen, die so selbstverständlich sind, dass es schon wieder lohnt, kurz mal darüber nachzudenken:

  1. Wie wichtig sind uns unsere Bürgermeister und Landtage?
  2. Welche Aufgaben sollen unsere Parlamente und nationalen Regierungen tatsächlich haben?
  3. Wer repräsentiert uns in Europa und wessen Stimme soll Gewicht haben?
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03rd Mai2012

GEORGIAS ANTWORT

by Fabian Eder

Diese Antwort auf meinen Brief hat Georgia mir heute geschickt! Danke!

Lieber Fabian,

Ich möchte Dir meinen herzlichen Dank für die sehr schönen Fotos von mir, aber viel mehr für Deine netten Worte, Dein Verständnis sowie Deine guten Absichten uns zu helfen aussprechen!

Die Tatsache, dass ein Mensch, der mir fremd ist, welchen ich erst vor ein paar Tagen kennengelernt und für nur kurze Zeit getroffen habe, versucht – und geschafft hat! – das Leben in Griechenland durch meine Augen zu sehen, sowie die Ängste, die ich habe und die Mühen, die ich auf mich nehme, um meinem Land, der Umwelt und meinen Mitmenschen helfen zu können… und nicht nur das, ich kann durch Deine Beiträge auch sehen, dass meine Worte Dich wohl so stark bewegt haben, dass Du große Anstrengungen machst, damit Du auf Deine eigene Art und Weise auch was dazu beiträgst.

Ich hoffe und wünsche mir, dass durch meine Worte und Deine Beiträge es uns gelingt mehr Menschen in diesen Versuch mit hinein zu ziehen, der als Ziel nur gutmütige Zwecke und die Gestaltung einer besseren Zukunft mit dem harmonischen Zusammenwachsen von uns allen hat…

Im Folge notiere ich dir die Internetadresse der biologischen Bauern Genossenschaft „Bio-Logoi, Mani“ (www.biologoimanis.gr ), welche, wie ich dir schon erzählt habe, ich vertrete und welche die Leser deines Blogs, besuchen können, um sich zu informieren, und zur Bestätigung von all dem, was ich gesagt habe… (Es tut mir sehr leid, aber die Webseite ist nur auf Griechisch verfügbar…)

Ebenfalls schicken wir dir einen Artikel auf Englisch mit Fotos von „GAIA“, im Falle wo du ein paar extra Daten verwenden möchtest.

Während wir die Ergebnisse unserer Arbeit sowie die Erwiderung der Menschen sehen, entsteht in uns die Hoffnung dass wir eine bessere Zukunft erwarten können, welche unseren Kindern gehört.

Ich danke dir noch einmal, auch wenn ein Dank allein zu wenig im Vergleich zu deiner Hilfe ist.

Mit Hochachtung und mit freundlichen Grüßen,

Georgia,

aus dem im-Vorwahlkampf-befindlichen Griechenland

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03rd Mai2012

DIE DEMOKRATISCHE GEFAHR!

by Fabian Eder

VON ROBERT MENASSE

Am 6. Mai 2010, gewissermaßen am Vorabend des Finanzkrisengipfels des Europäischen Rats, erlebte ich im ruhigen, eleganten Café Cirio in Brüssel folgendes: fünf deutsche Touristen, befeuert von belgischem Starkbier, begannen dröhnend über “die Griechen” zu schimpfen. Es wurde unangenehm, nicht nur wegen der Lautstärke, sondern wegen der abfälligen und beleidigenden Klischees, die sie von sich gaben. Brüssel ist eine polyglotte Stadt, sie ist schon viel weiter dorthin fortgeschritten, wo Europa hin will, weshalb Europa heute in Brüssel gut aufgehoben ist. Der Kellner geht hin und sagt auf Deutsch: “Sie wollten zahlen?” Ein Deutscher: “Nein. Wir haben keine Rechnung bestellt. Wir bleiben noch!” Der Kellner: “Das können Sie drüben im Ratsgebäude erzählen. Hier müssen Sie zahlen und bitte gehen!”

Das war natürlich kein nationalistischer Reflex des Kellners gegen „die Deutschen“, gegen ihr physisch aufstampfendes Klischeebild, sondern ein kühles Statement zum demonstrativen Nationalismus dieser Deutschen gegen „die faulen und korrupten Griechen“. Bemerkenswert dabei, dass der Kellner, durch seinen Verweis auf den Rat, das Verhalten der deutschen Touristen in Beziehung zur deutschen Europapolitik setzte – die damals schon seit Wochen allerorten diskutiert wurde.

Es ist tatsächlich keine simple Aktualisierung eines alten Klischees, wenn man feststellt: So viel Nationalismus wie jetzt leisteten sich Deutsche schon lange nicht mehr – eine Haltung, die doch, gemäß der Legitimationsideologien der EU, im Zuge des Zusammenwachsens Europas nach und nach verschwinden sollte. Es war und ist die deutsche Politik, die seit Monaten (weniger deutlich sichtbar, aber rückblickend erkennbar, bereits seit Jahren, seit Ende der Kohl-Ära) europäische Probleme zu Problemen der Nationalstaaten erklärt, des griechischen, italienischen, portugiesischen und so weiter, und es ist die deutsche Politik, die aus einer europäischen Institution, dem Rat, besonders unbeirrt und konsequent ein Gremium zur Verteidigung nationaler Interessen macht.

In ein Bündnis von Nationalstaaten seine nationalen Interessen einzubringen, der Anspruch, sie in einem nachnationalen Prozess aufzuheben, kann vernünftig und notwendig sein. Dabei müsste man allerdings diskutieren, was in einem solchen Prozess nationale Interessen sinnvollerweise wären: etwa der Anspruch, die in einem Nationalstaat bereits erkämpften und durchgesetzten Standards von demokratischer Partizipation, Bürgerrechten, sozialem Ausgleich, Umweltschutz etc. auf höherer Ebene nicht zurückzulassen. Aber diese Diskussion wurde nie wirksam geführt, im Gegenteil: die politischen und wirtschaftlichen Eliten haben just diese Standards zum Schaden der eigenen Bevölkerung systematisch gesenkt, immer wieder auch mit der apodiktischen Begründung, dass dies für die europäische Integration unabdingbar erforderlich und „ohne Alternative“ sei.

Das war problematisch genug (wenn auch hochprofitabel für die deutsche Industrie), unterschied sich aber nicht wesentlich von der Wirtschafts- und Sozialpolitik einiger anderer Mitgliedstaaten der EU. Einzigartig und skandalös aber ist, auf welch schamlose und geschichtsvergessene Weise die deutsche Regierungspolitik zusammen mit einigen Massenmedien jetzt den Popanz eines Sündenbocks aufbaute, nachdem die durch solche Politik verschuldete Misere unerträglich und unübersehbar wurde. Nach den Erfahrungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nach dem Schock, der Zerknirschung und der „Nie wieder!“-Rhetorik von 1945, und nach dem jahrzehntelangen Engagement für ein geeintes, friedliches, nachnationales Europa, hätte man es nicht mehr für möglich gehalten, dass in Deutschland heute so schnell, so wirksam, so fanatisch ein Feindbild produziert werden kann, das vom Industriellen bis zum Hartz-4-Empfänger nahezu alle in nationalistischem Hass zu einer „Volksgemeinschaft“ vereint, die mit allen Mitteln den „fremden Parasiten“, der am „gesunden deutschen Volkskörper“ schmarotzt, bestrafen will.

Es ist fast aussichtslos, erklären zu wollen, dass mir dies mehr Angst macht, als die Schulden Griechenlands oder die Haushaltsdefizite in anderen Ländern. Denn jeder, der von den Schulden Griechenlands entsetzt ist und die unabsehbaren Folgen fürchtet, die diese auf Wohlstand und sozialen Frieden in Europa haben werden, wird einwenden, dass dieses Finanzproblem ein objektiver Sachverhalt sei, an dem auch eine andere Stimmung in Deutschland nichts ändern würde. Im Gegenteil, man müsse nach den harten Jahren, die der deutschen Bevölkerung von Hartz 1 bis 4 abverlangt worden waren, verstehen, wenn sie nun gegen weitere Zahlungen rebelliert, die noch dazu zur Rettung eines anderen Landes notwendig sind, das nicht „so gut gewirtschaftet“ hat wie Deutschland.

Dagegen könnte man ins Treffen führen, dass – und wird den Einwand hören: ja aber – und immer so weiter, das führt zu einer Pendelbewegung der Argumente, die bald ins Esoterische führen, nämlich ins bloße Auspendeln, aus dem jeder Wahrsager seine Wahrheit herauslesen kann.

Aber auf welche Weise auch immer man die Haushaltsdefizite einzelner Euro-Länder interpretiert, und unabhängig davon, ob man die Schritte, die nun zur Bewältigung der Krise gesetzt werden, als ausreichend oder ungenügend einschätzt, ein wesentlicher Aspekt des Problems geht bei dieser Debatte völlig verloren: das ist der Sachverhalt, dass die gegenwärtige Krise und der Umgang mit ihr im Grunde an as letzte große Tabu der, ihrem Selbstverständnis nach, aufgeklärten Demokratien rührt. Dieses Tabu ist die Demokratie selbst, die Organisationsform von demokratischer Legitimation, im Besonderen der europäischen Politik. Das Problem zeigt sich deutlich, wenn man es sehen will, im Systemgefüge der Europäischen Union. Wenn man dieses näher betrachtet, kommt man zu dem Punkt, an dem man unweigerlich erschrickt: kann es sein, dass Demokratie, so wir sie nach 1945 mühsam und ungenügend gelernt haben und wir sie gewohnt sind, auf supranationaler Ebene gar nicht funktionieren kann – im Gegenteil: dass die „aufgehobene“ Demokratie dort, wo sie noch Geltung beansprucht, das Problem ist, dessen Lösung wir mit wachsender Hilflosigkeit von ihr erwarten?

Bevor ich dies ausführe, muss ich eines vorausschicken: Ich hatte, bevor ich nach Brüssel kam, Vorurteile in Hinblick auf die EU, keine dramatischen, es waren die Urteile, die ich eben vorher hatte, die natürlichen Ambivalenzen eines aufmerksamen Zeitungslesers, der sich als kritischer Zeitgenosse versteht: Niemand wird die Sinnhaftigkeit der Idee des europäischen Projekts in Frage stellen, nämlich die historischen Feindschaften zwischen den europäischen Nationalstaaten, die zu mörderischen Kriegen und letztlich zu Auschwitz geführt haben, zu überwinden und dauerhaften Frieden in Freiheit auf diesem Kontinent zu schaffen. Eine Idee, noch so schön und vernünftig, sagt allerdings noch nichts über die Organisationsform aus, in der sie sich tunlichst entfalten soll. Es ist ein Faktum, dass es zwar allesamt demokratische Staaten sind, die sich in der EU zusammengeschlossen haben, Faktum ist aber auch, dass sie dabei demokratische Standards, die in den Nationalstaaten erreicht waren, auf supranationaler Ebene verloren, wenn nicht sogar bewusst preisgegeben haben. Niemand, auch nicht der glühendste Verfechter der „Europäischen Idee“ kann dies leugnen. Das also begründete meine Ambivalenz: dass die Europäische Union eine schöne Idee in einem System zu verwirklichen versucht, das diese Idee unterhöhlt, weil darin die Demokratie versickert – und dass dies zu hinterfragen sei. Der Lissabon-Vertrag hat zwar einige Verbesserungen gegenüber dem Vertrag von Maastricht gebracht, aber die demokratiepolitischen Rückschritte und Defizite nicht nur nicht ganz ausgeräumt, sondern einige geradezu in Stein gemeißelt. Ein Beispiel: Man kann von entfalteter Demokratie nur sprechen, wenn Gewaltenteilung existiert. Das ist fundamentaler Bestandteil des Demokratie-Begriffs, wie er seit der Aufklärung entwickelt, unverzichtbares Element der Demokratie in der Praxis, wie sie erkämpft, oder, wie in Deutschland und Österreich: uns geschenkt wurde. In der EU allerdings ist die Gewaltenteilung aufgehoben. Das Parlament ist zwar gewählt, hat aber kein Gesetzesinitiativrecht (oder jetzt, nach Lissabon, nur durch die Hintertür). Das Initiativrecht hat die Kommission. Bei der Kommission fallen dadurch Legislative und Exekutive zusammen. Die Situation ist also vordergründig diese: Das Europäische Parlament ist demokratisch legitimiert, die Abgeordneten sind in ihre Funktion gewählt. Allerdings sind die Rechte und Möglichkeiten dieses Parlaments beschnitten. Der Rat, also die Versammlung der europäischen Regierungschefs, ist immerhin noch indirekt demokratisch legitimiert, weil die Regierungschefs als SpitzenkandidatInnen bei nationalen Wahlen gewählt worden sind. Die Kommission aber ist die Institution, in der die demokratische Legitimation am Ende ausgehebelt wird: hier arbeitet ein nicht gewählter und nicht abwählbarer Apparat, der die Gewaltentrennung aufgehoben hat, repräsentiert durch Kommissare, die selbst nur noch doppelt indirekt, also geradezu homöopathisch in ihrer Funktion legitimiert sind: indem sie nominiert werden von Regierungen, die nur national legitimiert sind und über den Rat, in dem sie das Mandat zur Verteidigung nationaler Interessen haben, europapolitische Geltung beanspruchen. Demokratiepolitisch produziert diese Trias von Parlament, Rat und Kommission also ein schwarzes Loch, in dem das, was wir unter Demokratie verstanden, verschwindet, und ich dachte also, dass – bei allen erlebbaren Fortschritten des Projekts Europa, wie Wegfall der Grenzen, Niederlassungsfreiheit, gemeinsame Währung – diese tendenzielle Abschaffung der Demokratie ein Skandal sei, und dass sich Engagement für die europäische Idee in der Kritik dieses Skandals erweisen müsse.

Dann kam ich nach Brüssel. Ich habe mich nun wochenlang in den langen Korridoren der EU-Verwaltung, in den Arbeitszimmern und Sitzungssälen der vielgeschmähten EU-Bürokratie herumgetrieben, mit zahllosen Beamten im Berlaymont-Gebäude der Kommission und im Justus Lipsius-Gebäude des Rats und mit Abgeordneten des Parlaments Gespräche geführt, mir erklären lassen, wie und woran sie arbeiten, und ihren Arbeitsalltag beobachten können. Das hat die Ambivalenzen, die ich hatte, nicht ausgeräumt – es hat sie auf den Kopf gestellt: Ich habe im Beamtenapparat der Kommission bestens qualifizierte, europäisch denkende Menschen kennen gelernt, die in verwunderlicher Effizienz eine hochkomplexe Maschinerie zur Produktion von Rationalität bedienen. Wären diese Menschen abhängig von den Stimmungen in ihren Herkunftsländern, gar diesen verpflichtet, würden sie sich treiben lassen von den Peitschenhieben nationaler Medien, die gebieterisch die Begehrlichkeiten nationaler Eliten aus Wirtschaft und Politik als Volksmeinung vorformulieren, sie würden in kürzester Zeit nur noch unproduktive, wenn nicht gemeingefährliche Widersprüche produzieren. Tatsächlich aber bilden die Kabinette der Kommissare, die Generaldirektionen, die Arbeitsgruppen und die Ausschüsse einen aufgeklärten Beamtenapparat, den man füglich als josephinistische Bürokratie bezeichnen muss, die unbeirrt auch von der Rückständigkeit weiter Teile der Populationen der EU-Mitgliedsstaaten, von deren Ressentiments und untertänigen Sehnsucht nach autoritären Führerfiguren rationale Verordnungen und Richtlinien ausarbeiten. (Ich will diese Beobachtung und das, was ich davon ableite, bloß zur Diskussion stellen. Ich beharre nicht darauf, ich kenne die Einwände, ich habe sie selbst!)

Die Menschen, die in dieser Bürokratie arbeiten, also dort, wo ein Defizit demokratischer Legitimation festmachbar wäre, sind ein Glücksfall vernünftiger Elitenbildung, Frauen und Männer, die in der Regel hoch gebildet und bestens ausgebildet sind, weltoffen, mobil und polyglott. Sie haben sich mit einer Energie, die mir apathischen Träumer ehrliche Bewunderung abverlangt, einem schwierigen, dreistufigen Concours gestellt, bei dem im Schnitt von zwanzigtausend Bewerbern am Ende rund hundert die Chance haben, einen Job in diesem Apparat zu bekommen, in dem eben kein Nepotismus und keine politische Protektion hilft. Hier stellt sich plötzlich, und, wie ich meine, begründet, die Frage, was eigentlich gewonnen wäre, wenn dieser aufgeklärte Apparat in stärkere Abhängigkeit von klassischen demokratisch legitimierten Instanzen käme? Die Regierungschefs, die im Rat sitzen, haben weder den Mut, ihren Wählern die Wahrheit zuzumuten, noch (in der Regel) die politische Größe, über die Legislaturperiode hinaus zu denken. Und in Wahrheit ist die demokratische Legitimation des Rats schon grundsätzlich bloße Chimäre: die Regierungschefs, die den Rat bilden, sind als SpitzenkandidatInnen nationaler Parteien bei nationalen Wahlen gewählt worden, und kein Wähler hat seine oder ihre Wahlentscheidung davon abhängig gemacht, welche der nationalen KandidatInnen bestmöglich supranationale Entscheidungen treffen kann. Im Gegenteil: es wurden nationale Interessen an Menschen delegiert, von denen erwartet wird, dass sie diese und nur diese vertreten. Zu sagen, dass die gewählten Repräsentanten nationaler Interessen automatisch mitlegitimiert sind, wenn sie nach Brüssel fliegen, wie durch Zauberei gleich auch als Repräsentanten supranationaler Vernunft aufzutreten, ist – vorsichtig formuliert – sehr gutmütig theoretisch. Es sind vordergründig demagogisch die Interessen der Wähler in den Nationalstaaten, hintergründig machtvoll die Interessen nationaler wirtschaftlicher Eliten, die im Rat ausverhandelt werden und zu surrealen, kurzsichtigen Entscheidungen führen, die in kürzester Zeit neue Probleme produzieren, zu deren „Lösung“ sich der Rat wieder zusammenfindet. An der deutschen Europapolitik der letzten Jahre im Rat kann man dies besonders deutlich sehen: Als Deutschland im Jahr 2005 die festgelegte Grenze der Haushaltsneuverschuldung von 3% deutlich überschritt, sorgte es (gemeinsam mit dem ebenfalls höher verschuldeten Frankreich) dafür, dass die Bestimmungen des Stabilitätspakts gelockert werden, um einer Mahnung durch die Kommission zu entgehen. Jetzt, da sich der deutsche Haushalt wieder einigermaßen stabilisiert hat, aber die Folgen der aufgeweichten Stabilitätsbestimmungen sich in ganz Europa drastisch bemerkbar machen, will Deutschland die harten früheren Bestimmungen noch härter zurück.

Als die Kommision vor zwei Jahren die Finanzkrise analysierte, die sich in Konsequenz der deutschen Politik deutlich abzuzeichnen begann, wurde der erforderliche Betrag zur Bewältigung der Krise auf 250 bis 300 Milliarden geschätzt. Zusammen mit der Neuimplantierung von Kriterien, die gar nicht so weit gegangen wären, wie es heute von Deutschland gefordert wird, wäre die Krise damit ausgestanden und ihre brutalsten Auswirkungen verhindert gewesen. Das hätte Deutschland damals nach dem Staatenschlüssel rund 60 Milliarden gekostet. Aber Deutschland legte sich quer. Das Ergebnis ist heute sichtbar – und wird der Bundesrepublik jetzt ein Vielfaches kosten. Aber ist das ein Grund, um nationalistische Ressentiments gegen „die Griechen“ zu schüren?

Das griechische Defizit beläuft sich auf weniger als zwei Prozent des BIP der EU. Dieses Problem soll europäisch nicht lösbar sein? Die Schulden Kaliforniens sind größer, aber nirgendwo lese oder höre ich von der Panik, dass es die USA deshalb zerreißen könnte. Entgegen der Konzepte der Kommission und gegen die Bedenken fast aller europäischen Staaten setzte Deutschland aber durch, dass zur Rettung des EURO die USA in Gestalt des IWF ins Boot geholt wurden, jener IWF, dessen Bedingungen und Auflagen bereits das stolze und reiche Argentinien in den Bankrott geführt hatten. Als die deutschen Banken krankten, machte Frau Merkel ohne viel Federlesens 400 Milliarden locker, aber bei der selbst mitverschuldeten Stabilitätskrise der europäischen Währung konnte sich Frau Merkel wochenlang nicht dazu durchringen, ihre Zustimmung zu einem Rettungspaket zu geben, das den 15 Euroländern zusammen 120 Milliarden gekostet hätte. Noch schlimmer: daheim, wo sie gewählt wurde und wo sie noch eine Regionalwahl vor sich hatte, bei der sie die Wut des „deutschen Steuerzahlers“ fürchtete, versuchte sie nicht einmal zu kommunizieren, dass es sich bei dieser Summe nicht um ein Geldgeschenk für ein anderes Land, sondern bloß um Kreditzusagen handelte. Als die Wahlen in Nordrhein-Westfahlen und Frau Merkels Partei endlich geschlagen waren, verknüpfte sie die Hilfe für Griechenland mit deutschen Rüstungsgeschäften in Griechenland. Mit anderen Worten, sie leistete eine Hilfe, die wiederum nur profitabel für die eigene Exportindustrie ist, und stellte in den Raum, dass es ja jedem Land freistünde, ebenfalls „Exportweltmeister“ zu werden. Was ist das für eine Europapolitik, die auf der einen Seite Verhandlungen mit der Türkei in Hinblick auf einen möglichen EU-Beitritt führt, und zugleich ein auf dem Boden liegendes EU-Mitgliedsland zu einer teuren militärischen Aufrüstung gegen die Türkei zwingt? Wenn Griechenland so korrupt ist, wie es die deutsche Regierung von deutschen Medien hinausposaunen lässt, müssen dann diese Waffengeschäfte nicht auch nur durch immense Schmiergeldzahlungen zustande gekommen sein? Es kann nicht Staatsaufgabe sein, schon gar nicht eine deutsche, für Rechtssicherheit bei schmutzigen Geschäften und Aufrüstung zu sorgen.

Und so weiter und immer so weiter. Das also ist es, was wir von „demokratisch legitimierter“ Politik zu erwarten haben. Aber das Feindbild des „Normalverbrauchers“ (ich würde mich ja weigern, in einem Land zu leben, in dem ich unter diesen Titel subsummiert werde) ist „die aufgeblähte Bürokratie“ mit ihrem „Regulierungswahn“. Allerdings ist die Brüsseler Bürokratie kleiner als zum Beispiel der Beamtenapparat Wiens. Und ja, sie schlägt Regulierungen vor – zum Beispiel eine Regulierung der Finanzmärkte, seit Jahren, es sind Konzepte, die, wenn sie von der Kommission auf den Tisch gelegt werden, bei jedem Ratsgipfel vom Tisch gewischt werden.

Gestern war sich Frau Merkel absolut sicher, dass die Finanzmärkte keiner Regulierung bedürfen, als wäre der kleinste Eingriff in die Freiheit der Spekulanten die größte Bedrohung der Freiheit aller, und heute ist sie sicher, dass einige Regulierungen doch notwendig wären. Gestern war sie sicher, dass der Lisabon Vertrag völlig für die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union ausreiche, die Einwände der Vertragskritiker wurden ignoriert, der Vertrag wurde demokratisch durch den Bundestag durchgewunken, heute aber ist sie sicher, dass der Vertrag in einigen Punkten doch geändert werden müsse. Wie sicher kann ich mich der Vernunft dessen sein, was Frau Merkel morgen ganz sicher weiß?

Ja, die Demokratie: klingt gut, sie organisiert Legitimation – aber wofür? Internationale Konzerne üben Drück auf nationale Regierungen aus, um ihre globalen Interessen durchzusetzen, und die Regierungen machen diese Interessen zu nationalen Anliegen, mit denen sie die supranationale politische Entwicklung torpedieren.

Das ist der Punkt, an dem man vielleicht bereit sein müsste zuzugeben, dass es heute ein Fortschritt, ein Befreiungsschritt ist, wenn über die Rahmenbedingungen unseres Lebens eben nicht mehr wesentlich durch Volkswahlen abgestimmt wird. Da muss man noch nicht einmal an die Niederungen erinnern, in die sich der Wettbewerb um demokratische Legitimation begibt, wenn Volksparteien um die Stimmen der xenophoben, rassistischen, autoritären Charaktere kämpfen.

In der Kommission gibt es keine finsteren Gestalten, keine Faschisten und Antieuropäer (wie sie heute auch im Parlament sitzen), keine gebeugten Opportunisten (wie in den nationalen Regierungsapparaten), die aber nicht von der Last ihrer Verantwortung, sondern vom Druck der mächtigsten Partikularinteressen gebeugt sind, es gibt in der europäischen Bürokratie keine ressentimentgeladenen Köche eigener Süppchen und keine Kühler von Mütchen. Es gibt vielleicht Zyniker – sie haben Erfahrung. Es gibt sicherlich Missionare – sie haben Engagement für aufgeklärte Anliegen. Es gibt vor allem Pragmatiker – sie nutzen und dehnen jede Möglichkeit, die das jeweilige Kräfteverhältnis bietet. Gemeinsam ist ihnen das aufgeklärte Denken in übernationalen Kategorien. Sie denken weit voraus, in der vor kurzem (mit Abstrichen durch den Rat akzeptierten) Agenda bis 2020, in der „Groupe de reflexion“ bereits bis 2030. Immer mit dem expliziten Anspruch, die sozialen Errungenschaften Europas zu sichern und auszubauen, und eine stärkere wirtschaftspolitische Steuerung durchzusetzen.

Man muss sich einmal von den Beamten erzählen lassen, wie es ist, wenn man etwa seit Jahren an Konzepten zur Bewältigung der Haushaltskrise arbeitet, und zuschauen muss, wie sie regelmäßig von den Regierungschefs im Rat zurückgeschickt werden, damit diese, wenn sie heimkommen, ihren Wählern berichten können, was sie alles zur Verteidigung „nationaler Interessen“ gegen die „böse EU“ durchgesetzt haben. Und jetzt, beim letzten Ratsgipfel, als die Krise einigermaßen dramatisch geworden war, gaben die Regierungschefs der Kommission den Auftrag, ein Konzept auszuarbeiten… Ich würde ja, nach den oben skizzierten drei Beamtentypen den vierten Typus abgeben: den depressiven. Aber die Europäer sitzen am Abend in den Cafés und Restaurant hinter dem Berlaymont-Gebäude, diskutieren – und gehen am nächsten Tag wieder an die Arbeit.

So viele Diskussionen. Und erst hier, aus der Nähe die Konstruktion und Arbeitsweisen der EU beobachtend, kam mir der Gedanke, dass die klassische Demokratie, ein Modell, das im 19. Jahrhunderts zur vernünftigen Organisation von Nationalstaaten entwickelt wurde, nicht einfach auf eine supranationale Union umgelegt werden kann, ja sie behindert. Demokratie setzt den gebildeten Citoyen voraus. Wenn dieser gegen die von Massenmedien organisierten Hetzmassen nicht mehr mehrheitsfähig ist, wird Demokratie gemeingefährlich. Ideologisch legitimiert sich die Europäische Union als „Friedensprojekt“, in dem die einzelnen Staaten immer mehr miteinander verflochten werden und zusammenwachsen. Wenn in der Union aber gegenläufige nationale Interessen institutionalisiert sind und es in allerkürzester Zeit möglich ist, Ressentiments in einem Mitgliedsstaat gegen einen anderen im eben erlebten Ausmaß zu schüren, dann wird der ideologische Baldachin fadenscheinig.

Vielleicht funktioniert ja noch einmal die historische List der Vernunft: mit jeden kleinen Schritt voran auf dem Weg einer nachnationalen Entwicklung müssen die Nationalstaaten und damit auch der Rat an Bedeutung einbüßen. Am Ende wird man die Regierungschefs höflich hinausbitten, wenn eine neue Demokratie sich entfaltet, als Checks and Balances –System zwischen einem echten europäischen Parlament der Regionen und dem aufgeklärten, josephinistischen Beamtenapparat der Kommission.

Auf jeden Fall war es schade, dass Frau Merkel an jenem Vorabend des letzten Ratsgipfels nicht im Café Cirio war. Sie hätte wohl nicht zahlen müssen. Der Kellner, Monsieur Jean, hätte sie hinauskomplimentiert mit den Worten: „Sie sind mein Gast!“

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02nd Mai2012

BOTSCHAFTER UND BOTSCHAFTEN

by Fabian Eder

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Künstler und ihre Kunst sind immer Botschafter eines Landes. Die Wiener Philharmoniker beweisen das andauernd. Die Österreichische Botschafterin, Mag. Melitta Schubert, hat in Athen zu einem Benefiz – Abend eingeladen, am nächsten Tag gab es ein Jugendkonzert. Es wurden insgesamt 38.000,- Euro gesammelt, die einem Kinderheim in Maroussi überreicht wurden.

Das Aussenministerium berichtet darüber: 

Im Heim werden misshandelte Kinder im Alter von bis zu 5 Jahren über einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren betreut. Höchst professionelles, qualifiziertes Personal ist darum bemüht, die Kinder auf eine möglichst reibungslose Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorzubereiten. Soweit möglich, werden auch die biologischen Eltern der Kinder in diese Bemühungen einbezogen, damit diese sie nach ihrem Aufenthalt im Heim wieder aufnehmen können. Wo dies nicht möglich ist, werden die Kinder in die Familien des SOS-Kinderdorfs aufgenommen. „Wir schätzen, dass jährlich 7.500 Kinder im Alter von bis zu 5 Jahren, misshandelt und vernachlässigt werden. Leider müssen wir befürchten, dass die aktuelle Wirtschaftskrise zu einem Anstieg dieser Zahlen führen wird“, so der Präsident von SOS-Kinderdorf Griechenland, Anastassios Vrettos.

Eine tolles Beispiel für eine Aktion, die durch Initiative  ”Solidarität auf Europäischer Ebene” beweist und Geld dorthin bringt, wo es ganz dringend benötigt wird. Wir finden das jedenfalls großartig und sagen den Wiener Philharmonikern und der Österreichischen Botschafterin herzlich DANKE.

Zu sehen auch in der 9:00 ZIB vom 1.Mai in der  ORF Mediathek

Ausführliche Informationen über die Aktion findet ihr beim Außenministerium!

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01st Mai2012

AN GEORGIA! GRIECHENLAND, EUROPA, 1. Mai 2012

by Fabian Eder

Jetzt sitze ich also im Auto zum Flughafen in Athen. Einen ganzen Monat haben wir uns Zeit gegeben Griechenland zu bereisen und wir konnten nur einen kleinen Teil kennenlernen. So vielfältig ist dieses Land, so schön und so reich. Gerne hätten wir noch mal fünf, sechs Wochen um auch den Norden zu bereisen, den Rest des Ionischen Meeres, den Golf von Patras, die nördliche Ägäis – und hätten noch immer nicht alles gesehen. Mir gehen so viele Gedanken, Erinnerungen, Gerüche und Farben durch den Kopf, ein berauschendes Durcheinander an Schönheit. Was soll ich zum Schluss dieser Reise sagen? Was nehme ich mit von dieser Reise?

Aus Kreta nehme ich die Tränen mit, zu denen mich die Schönheit der Insel gerührt hat. Ich nehme die Vitalität von Eleni mit.
Aus Ios nehme ich die Hoffnung mit und den Optimismus von Vivi.
Aus Monemvasia und Lakonien nehme ich die Auferstehung der Christlichkeit mit und unvergessliche Stunden mit Fremden, die mir Freunde wurden – ohne Vorbehalt und ohne Zögern.
Aus der Mani nehme ich den Trost mit, der in der bestimmten Ruhe und Sicherheit dieser Landschaft liegt und Georgias Enttäuschung von Europa, die mir so viel zu denken gibt.
Aus Zakinthos nehme ich die Freude und die Fruchtbarkeit mit, das Lächeln und die strahlenden Augen von Maria.
Aus Messolonghi nehme ich die Entschlossenheit mit, um die Zukunft zu kämpfen, heute wie damals, und die Erinnerung daran, dass es Dinge von so hohem Wert gibt, dass jedes Opfer dafür sich lohnt – die Freiheit, zum Beispiel.

Liebe Georgia in der schönen Mani!

Es war sehr wichtig für mich, Dich kennengelernt zu haben und ich möchte Dir einige Worte zum Abschied sagen.

Wir haben den Teil Europas bereist, aus dem das Europa stammt, das sich durch blutige und grausame, gehässige und gewaltvolle Jahrtausende zu dem entwickelt hat, was es heute ist: ein zartes Pflänzchen am Beginn einer neuen Epoche. Ich habe erkannt, dass nicht Griechenland eine Krise hat, sondern Europa. Diese Krise ist auch keine Wirtschaftskrise, sondern eine Identitätskrise. Wir müssen unsere europäische Identität erlernen, begreifen, was es bedeutet zusammen zu leben, was Solidarität bedeutet und müssen wissen, was wir wollen: wollen wir die Idee der friedlichen Gemeinsamkeit er-leben, müssen wir beginnen ein Europa der Menschen zu bauen, und nicht ein Europa der unkontrollierten, willkürlichen und nimmersatten Märkte weiter befördern. Wir müssen uns einverleiben, dass die Vielfalt und die Unterschiedlichkeit den Reichtum ausmachen und nicht eine Uniformität, die sich gut in Kisten und auf “Euro”-paletten packen lässt. Du, liebe Georgia, und ich, wir müssen unseren Politikern begreiflich machen, dass sie uns dienen und nicht den Interessen anonymer Konzerne, deren Wachstum scheinbar kein Ende haben darf. Wir müssen den Dingen ihren Wert zurück geben, die kein Preisschild haben können, so wie Du es tust mit Deinen freiwilligen Aktivitäten zum Wohl der Gemeinschaft, liebe Georgia.

Es sprechen viele Fremde in diesen Tagen zu Dir und Deinen Mitbürgern und sie geben Euch gute Ratschläge. Das will ich nicht tun, ich habe nicht das Recht dazu und will es auch gar nicht haben. Ihr Griechen könnt selbst entscheiden, was richtig für Euch ist, weiß Gott, wer, wenn nicht ihr! Was wir Europäer aber tun müssen, ist Euch den Rücken zu stärken, diese Entscheidungen zu treffen. Dein Griechenland darf nicht wie Deutschland werden, oder Österreich oder irgendein anderes Land. Dein Griechenland muss wieder Dein Griechenland werden, damit Du, Georgia, zurück nach Europa findest. Griechenlands Strände sind Europas Strände, Griechenlands Spitäler sind Europas Spitäler, Griechenlands Kinder, Deine Kinder, sind Europas Zukunft. Es ist die Zeit des Tuns, nicht des Redens.

Ich fahre mit einem gerüttelt Mass an Wut nach Hause, liebe Georgia. Wut über Politiker, die die Schwäche anderer benutzen, um ihren Wählern Angst zu machen. Angst vor anderen Menschen, vor anderen Ländern. Ich bin wütend, weil diese Politiker, die irgendwo im 19 Jahrhundert verloren gegangen sind und in der Vergangenheit Leben, mit der Angst spielen ohne ein tragfähiges Konzept für die Zukunft zu haben. Wir müssen aufhören, sie zu wählen, müssen nach anderen Formen des politischen, demokratischen Protests suchen.

Denen, die sich an uns Bürgern Europas bereichern, werden Du und ich die Tür weisen und wir beide wissen, dass jeder große Konzern gut beraten ist, besser gestern als heute einen radikalen Paradigmenwechsel einzuleiten. Wenn die Unternehmen und Unternehmer einen freien Markt wollen, müssen sie beginnen soziale Verantwortung zu übernehmen, die nichts mit ihrem Profit zu tun hat – Verantwortung für Dich und Deine Kinder, Georgia. Sie haften für die Produkte, die sie produzieren, nicht Du, nicht der Konsument, der sie kauft. Sie haften moralisch und ethisch und ihre Haftung geht weit über geschriebene Gesetze hinaus und ist viel leichter zu verstehen als diese: es ist die Vernunft.

Du, liebe Georgia, engagierst Dich aktiv für Umweltschutz und Du kümmerst Dich damit um Deine und meine Lebens- und Existenzgrundlage. Die Zeit, über Alternativen zu diskutieren, ist vorbei. Jetzt müssen wir es tun, so wie Du es tust, Georgia, und wir in ganz Europa sind froh darüber, und ich verstehe, dass Du enttäuscht bist, weil wir Dir nicht dabei helfen.

Alles, was immer verfügbar ist, ist wertlos. Du weisst den Wert von Dingen zu schätzen, denn dort, wo Du lebst, gibt es nicht immer alles. Die Menschen in den Städten vergessen das manchmal. Nicht Du.

Du bist meiner Meinung, die sogenannte griechische “Krise” ist ein Synonym für den Beginn eines fundamentalen gesellschaftlichen Wandels, bei dem unsere Generation nur mehr Zaungast sein darf. Du bist Mutter von zwei Kindern und auch ich habe eine Tochter – um ihre Zukunft geht es. Die jungen Menschen, mit denen ich gesprochen habe, die 20 – 30-jährigen, die Statements der 14-jährigen Schüler aus Griechenland und Österreich, diese Klarheit, diese Direktheit, dieser Mut wird allen Menschen helfen einen Schritt voran zu kommen. Mit dieser Jugend, mit unseren Kindern am Ruder brauchen wir keine Angst zu haben, Georgia. Das Establishment der Macht – Politik, Finanz, Wirtschaft – sollte sich allerdings in acht nehmen vor dieser Jugend. Und besser, sie nehmen diese Warnung ernst, nicht wahr, Georgia?
Liebe Georgia, vielleicht haben wir beide den Fehler gemacht, das Verlangen nach Demokratie zu sehr schleifen zu lassen. Vielleicht müssen wir beide das an uns selbst ändern. Demokratie ist etwas, was wir jeden Tag verlangen und tun müssen. Die Macht in Europa darf nicht in den Händen der Staatschefs liegen, die das Gewicht ihrer Stimme mit dem Gewicht ihrer Volkswirtschaft rechtfertigen, und sie gehört nicht in die Hände von Kommissionen und Kommissaren. Die Macht in einer Demokratie gehört ins Parlament. Wir müssen zu den Wahlen zum Europäischen Parlament gehen, liebe Georgia, und wir müssen so viele an der Hand nehmen und zu den Urnen zerren, wie wir nur können.

Ich wünsche mir, dass Du schon bald nicht mehr enttäuscht sein musst von Europa und ich werde all meine Freunde bitten, mir dabei zu helfen!

Alles Liebe, Gesundheit und Glück Dir und Deiner Familie,

Dein Fabian 

[Galerie nicht gefunden]

Unsere Reise endet hier, aber nicht unser Projekt und nicht dieser Blog. Wir werden Euch weiter über die kommenden Aktivitäten am Laufenden halten, nicht mehr täglich, aber regelmäßig. Und dann ist da noch diese “GAIA” – Sache und das VASSO KATRAKI Museum, denen wir uns – gemeinsam mit Euch – im Mai intensiver widmen wollen…

Wir sehen uns!


Keep blooming!

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